Bienen – unermüdliche Arbeiterinnen
Das weltweite Bienensterben ist ein dramatisches Problem, denn die Bienen übernehmen eine wichtige Funktion in der Nahrungskette. Beim Einsammeln des Nektars bestäuben sie die Blüten und sorgen so für die Befruchtung und Bildung neuer Samen. Und damit erbringen sie der Natur einen unersetzlichen Dienst, das gilt für die kleine Wildblume von nebenan ebso wie für die kommerzielle Landwirtschaft und den Gartenbau. Das Konzept der Ökosystemdienstleistungen versucht die Werte, die bestimmte Tiere dem Ökosystem erbringen in Geldwerten zu beziffern.
Bienen erbingen dem Ökosystem Leistungen im Wert von hunderten Milliarden Euro
Das Bienensterben führt zu ernsthaften ökonomischen Problemen
Doch seit einigen Jahrzehnten ist es schlecht bestellt um die Population der Bienen, vielerorts gibt es immer weniger. Zum einen gibt es immer weniger kommerzielle Imker, zum anderen sind die Bienen jeder Menge von Umweltbelastungen, Krankheiten und Prasiten ausgesetzt. Besonders bekannt und vergleichsweise gut erforscht ist die Varroamilbe, welche die Körperflüssigkeit von Bienenlarven aussaugt und damit für einen Großteil des Bienensterben verantwortlich ist. Doch auch wenn man als Bienenlarve dem Tod von der Schippe springen konnte, ist man doch einer ganzen Zahl weiterer Bedrohungen ausgesetzt:
Neben der Varoamilbe haben es noch weitere Viren und Parasiten auf die Bienen abgesehen. Dazu schützen Pflanzenschutzmittel den wertvollen Ertrag zwar vor Schädligen, doch auch Bienen können Schaden daran nehmen und bei einigen Chemikalien kann es zu einem regelrechten Massensterben kommen. Schon in den 1930er Jahren beschäftigte man sich im Zuge der Bienenkunde mit der Wirkung von Pflanzenschutzmitteln: So galten arsenhaltige Mittel, die auf blühende Pflanzen aufgebracht werden als besonders schädlich. Als schonender galt Schwefelkalkbrühe, die den Bienen derart stinke, dass sie ihnen nicht nahekämen.
(1). Sowohl arsenhaltige Mittel als auch Schwefelkalk sind heutzutage innerhalb der EU nicht mehr zugelassen. Aber natürlich hat man in der Landwirtschaft Ersatz gefunden und auch der kann Bienen zusetzen. Zudem wird diskutiert, ob auch genmanipulierte Pflanzen den Bienen schaden können. Wer Bienen bisher gefürchtet hat: Zwischen Arbeit, Varroamilbe, Insektiziden und Genpflanzen bleibt der gemeinen Honigbiene (Westliche Honigbiene – Apis mellifera) kaum Zeit, sich um das Stechen argloser Eisesser zu kümmern. Was kann man also unternehmen, um den Bienen eine kleine Last von den Schultern zu nehmen?
Bienenforschung an der Universität Bremen
Eine Arbeitsgruppe an der Universität Bremen aus Wissenschaftlern der Kognitiven Neuroinformatik un der Biologie hat es sich nun zum Ziel gesetzt, mittels moderner Technik neue Informationen über die Bienen zu sammeln – und zum Erhalt ihres Bestandes beizutragen.
Um die Gepflogenheiten im Bienenstock genauer untersuchen zu können, ohne die Bewohner desselben durch das regelmäßige Öffnen der Behausung (die man, möchte man sich als Experte outen, Beute nennt) zu stören, wurden die die Beuten mit zahlreichen Sensoren versehen. In diesen Sensorbeuten kann also mit voller Konzentration gearbeitet werden. Die Sensordaten werden über eine Netzwerkverbindung an einen kleinen Computer gesendet und dort gesammelt, wo sie auf ihre Auswertung warten. Die Bienenforschung in Bremen geht gänzlich neue Wege – doch ohne Feldforschung und biologische Expertise läuft auch hier nichts. Denn was bringen einem noch so genaue Temperaturmessungen, wenn man gar nicht weiß, wie warm es Bienen gerne haben? Die gesammelten Daten müssen also analysiert und interpretiert werden. Dr. Dorothea Brückner, die sich seit vielen Jahrzehnten in der Bienenforschung engagiert, freut sich also auf die ersten verwertbaren Daten.
Freund hört mit – mit Sensoren zur Natur
Eingebaut wurden verschiedenste Sensoren, darunter auch Mikrofone. Etwas paradox erscheint dieses Zusammentreffen von Natur und Technik schon, doch der innovative Ansatz soll wertvolle Erkenntnisse über die optimalen Bedingungen innerhalb von Bienenstöcken liefern.
Beim Aufbau verläuft zunächst alles wie geplant, die Beuten sind verkabelt, die Sensoren angebracht und die erste Bienenmahlzeit im neuen Heim steht bereit (denn die Bienen ziehen hungrig ein, damit sie den Einzug zielstrebiger antreten). Doch wie stets hat die Technik ihre Tücken: Das Lankabel, das die Informationen von den Beuten zum Server leitet, ist zu kurz. Ein längeres muss her. Dann kann es losgehen und Horst Wolfrum, Obmann der Bremer Imker für Bienengesundheit, trägt die Bienenvölker herbei und schüttet sie auf dem Rasen vor den Beuten aus. Über 100.000 Bienen folgen ihrer Königin und treten den Einzug ins Smarthome an. Einige Bienen verweigern angesichts langer Schlangen das stille Warten, steigen summend auf und erkunden schon mal den Luftraum der neuen Heimat.
Die Biene – neugierig aber nicht aufdringlich
Nur ganz zufällig war ich bei diesem, für mich wirklich spektakulären Ereignis, zugegen. Und war kein bisschen vorbereitet. Spontan hatte ich so die Gelgenheit einige Fotos aufzunehmen um den Einzug zu dokumentieren. Die Insekten hatten keinerlei Scheu sich in meinen Haaren, auf allen zugänglichen Teilen der Kamera und auf diversen Kleidungsstücken niederzulassen. Doch auch ganz ohne Schutzkleidung: Gestochen wurde ich nicht ein mal. Um ein besonders hartnäckiges Tier von der Linse zu verscheuchen, reichte meist ein sanftes Wischen durch die Luft. Uns so modern und technisch das ganze Projekt auch sein mag: Die Bienen haben sich dafür herzlich wenig interessiert.
Digitales Bienen-Monitoring
Vor gut einem Jahr habe ich das erste mal über das Forschungsprojekt berichtet. Was ist inzwischen geschehen?
Eine kurze Rekapitulation
Viele Imker kennen das Problem, dass sie zu einer optimalen Pflege ihrer Völker Informationen benötigen, die sie nur erhalten können, wenn sie ihre Beuten öffnen. Allerdings bedeutet jede Öffnung eine Menge Stress für das Bienenvolk. Deshalb werden, bisher vor allem in Forschungsprojekten, heutzutage verschiedene Sensoren eingesetzt, die Daten sammeln und welche dann von Computerprogrammen ausgewertet werden. Zum Auslesen der Daten werden zumeist Minicomputer wie Arduino oder Raspberry Pie verwendet: Sie lassen sich leicht konfigurieren, sind platzsparend und verbrauchen wenig Strom.
Der Stand 2017 – Bienen-Monitoring-Software
Die Messtechnik lässt sich tatsächlich relativ leicht nachbauen. Das Bienenforschungsprojekt Hiverize aus Bremen hat inzwischen Bauanleitungen für einzelne Sensoren veröffentlicht. Die Software, mit denen die Sensoren ausgelesen und die so gewonnen Daten gespeichert werden, steht dort ebenfalls kostenlos zum Download zur Verfügung. Für Imker, die ihre Bienenvölker so überwachen wollen, bedeutet das allerdings noch eine ganze Menge Arbeit: Die Bauteile müssen bestellt und anschließend konfiguriert werden – das erfordert auch verhältnismäßig viel Fachwissen. Und die entscheidende Frage ist damit noch gar nicht beantwortet: Was bedeuten die Daten überhaupt? Die Forschung arbeitet nach wie vor daran, Zusammenhänge zwischen bestimmten Messdaten und dem Zustand im Bienenstock zu entschlüsseln. Einige (eher offensichtliche Beispiele) sind:
- Gewichtszunahme des Stockes: Gesundes Volk, gutes Nektarvorkommen
- Stagnierendes oder abnehmendes Stockgewicht: Krankheiten, Stress, geringes Nahrungsangebot
- Plötzliche Gewichtsreduktion: Diebstahl, Zerstörung
Auch das Projekt Hiveeyes aus Berlin entwickelt eine Open-Source-Plattform zur Datenauswertung. Doch auch hier müssen Anwender noch technisch versiert sein, allerdings gibt es eine Community, die sich bemüht, offene Fragen zu beantworten. ZDF-Info hat über das Projekt berichtet:
Es gibt aber weitere, zum Teil kommerzielle Projekte, die vorkonfigurierte Systeme für Endanwender anbieten. Sie sind allerdings zum Teil sehr kostspielig und damit vor allem für kommerzielle Anwender oder Enthusiasten geeignet. So ist die Stockwaage von SolutionBee mit Temperatursensor ausgerüstet und zeigt die Daten wahlweise in einem Webinterface oder per mobiler App an, kostet aber knapp 500$. Eine umfangreiche Liste mit verfügbarer Hardware gibt es hier. Demzufolge solle eine Grundausrüstung bereits für etwa ein Zehntel (also 50$) zu haben sein.
Weitere Informationen:
Die Öffentlichkeitsarbeit des Forschungsprojektes findet man unter dem Namen Hiverize auf Facebook.
Quellen:
Böttcher, F. K.:Bienensterben durch Schädlingsbekämpfung. Zeitschrift für die chemische Industrie. 50 (1937), S. 81-84
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