Haie in der Ostsee: Bis zu 18 Arten

Haie in der Ostsee? Beim Badeurlaub an der Ostsee einem 12 Meter langem Hai begegnen? Für viele ein vollkommen unvorstellbares Szenario. Dabei wird die Ostsee durchaus von zahlreichen Haiarten bevölkert. In einigen Quellen liest man, es gäbe insgesamt 31 Haiarten in der Ostsee – das ist allerdings nicht zutreffend. Die Angabe von über 30 Arten bezieht sich auf alle Knorpelfische, dazu zählen neben den Haien auch Rochen und Seekatzen.

Sharks are here, but not for long – if we don’t change our ways
– Heike Zidowitz

Ein Bericht der Shark Alliance zählt insgesamt 18 Arten von Haien in der Ostsee auf, die in der wissenschaftlichen Literatur im Ostseeraum beobachten wurden. Einige wurden jedoch nur selten oder gar einmalig gesichtet. Und viele sind schon jetzt selten oder gar vom Aussterben bedroht, allerdings bemüht sich die EU dank zahlreicher Schutzinitativen um ein Fortbestehen der Haie in der Ostsee.

Wer nun besorgt ist: Angst haben braucht man vor einer Begegnung mit einem Hai in der Ostsee nicht. Die Wahrscheinlichkeit überhaupt einen Hai zu sichten, ist verschwindend gering.

Haie in der Ostsee: Ein Überblick

Das baltische Meer ist ausgesprochen vielfältig und wird von den Anrainerstaaten Schweden, Finnland, Russland, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Deutschland und Dänemark eingefasst. Damit ist die Ostsee das größte Binnenmeer der Welt. Mit Die maximal 459 Metern Tiefe bei Landssort und fast 413,000 km² Fläche ist es gar nicht so leicht, Aussagen über den Bestand und das Vorkommen von Arten zu treffen, weshalb es sich vielfach um Schätzungen handelt. Die meisten der Haiarten finde sich zudem nicht in der Ostsee selbst, sondern in deren Übergangsgewässern Skagerrak und Kattegat.

Haie in der Ostsee nach Größe

NameWissenschaftlichLänge
WalhaiRhincodon typus13,7 m
RiesenhaiCetorhinus maximus10 m
GrönlandhaiSomniosus microcephalus 8 m
Gemeiner FuchshaiAlopias vulpinus6 m
Stumpfnasen-SechskiemerhaiHexanchus griseus< 5 m
Glatter HammerhaiSphyrna zygaena4 – 5 m
Weißspitzen-HochseehaiCarcharhinus longimanus3,9 m
BlauhaiPrionace glauca3,83 m
NagelhaiEchinorhinus brucus3,1 m
HeringshaiLamna nasus3 m
MeerengelQuatina squatina1,8 – 2,4 m
HundshaiGaleorhinus galeus2 m
Gefleckte MeersauOxynotus centrina1,5 m
Weißgefleckter GlatthaiMustelus asterias1,4 m
Kleingefleckter KatzenhaiScyliorhinus canicula1 m
FleckhaiGaleus melastomus0,9 m
DornhaiSqualus acanthias0,8 m
Kleiner Schwarzer DornhaiEtmopterus spinax0,6 m

Gefährdung und Klimawandel

Wie anfällig eine Tierart für Umweltveränderungen, Störungen und Jagd ist, hängt von ihren biologischen Eigenschaften ab. Wer sich schnell vermehrt, braucht auch sehr hungrige Raubtiere nicht zu fürchten. Der Mensch als besonders hungriges Raubtier macht auf Haie nicht nur wegen des oftmals schmackhaften Fleisches Jagd: Häufig ist er schlichtweg Beifang bei der Erbeutung anderer Nahrungsfische. Gezielt befischt werden Haie auch im Rahmen der Sportfischerei. Besonders grausam ist das Shark-Finning: Dabei wird den lebenden Haien einzig die Rückenflosse (Finne) abgetrennt, die vorallem in China als Heilmittel und als Zutat der Haifischlossensuppe als Delikatesse gilt. Die Haie sind nach dem Abtrennen der Rückenfloss schwimmunfähig und sinken an den Meeresgrund, wo sie vereenden.
Doch die meisten Knorpelfische vermehren sich alles andere als schnell: Da viele Arten bis zu 30 Jahre bis zur Geschlechsreife benötigen, ist ihre Fortpflanzungsrate ausgesprochen gering.

Zukünftigt wird vielleicht der Klimawandel das Vorkommen weiterer Haiarten in der Ostsee begünstigen: Durch die Erwärmung des Meerwassers, zieht es Haiarten aus wärmeren Gefilden auch in die Nord- und Ostsee. Schon jetzt verirren sich vereinzelt Exemplare dorthin. Wissenschaftler betonen immer wieder, dass es verhältnismäßig wenig Forschung zu den Haien in Nord- und Ostsee gibt, sodass man wenig über die Populationsdynamiken weiß.

Insgesamt sind viele Haie in der Ostsee gefährdert, die Zukunftsprognose vieler Wissenschaftler ist eher düster. Daher gibt es, etwa von der Shark Alliance, zahlreiche Forderungen an die Politik, die bislang nur teilweise umgesetzt wurden:

  • Intensivierung der wissenschaftlichen Forschung, Bereitstellung von Forschungsmitteln zur Erforschung der Haie in der Ostsee
  • Monitoring der Bestandszahlen und -Entwicklungen
  • Konsequentere Schutzmaßnahmen, weitergehende Regulierung der Befischung
Haie Ostsee: Hammerhai
Historische Zeichnung eines Hammerhais, Biodiversity Heritage Library

Tiefseetaucher, Methusalem und Filteranlagen

Der Grönlandhai ist ein wahrer Methusalem: Schon seine Körpergröße von bis zu 8 Metern ist schier beeindruckend. Allerdings hat der Grönlandhai noch ganz andere Qualitäten: Der älteste gefangene Hai wird auf knapp 400 Jahre geschätzt.

Muss man sich vor den Haien ist der Ostsee fürchten?

Zugegeben: Es klingt zunächst bedrohlich: Wer möchte schon beim sommerlichen Baden in der Ostsee einem 13 Meter großen Walhai begegnen? Für den gemeinen Badegast, der schon beim Streifen einer umhertreibenden Qualle den herannahenden Tod fürchtet, dürfte das zunächst eine ziemlich unangenehme Überraschung sein. Allerdings gibt es keinen Grund besorgt zu sein: Zunächst ganz praktisch, denn Walhaie (und alle anderen der großen oben aufgeführten Haiarten) sind ausgesprochen selten, viele von ihnen sind auf der Roten Liste der IUCN als stark gefährdet oder vom aussterben bedroht geführt. Zudem leben sie häufig in großer Tiefe, fernab von den Küsten. Der Grönlandhai etwa lebt derart versteckt, dass bisher nur wenig über seine Lebensweise bekannt ist. Er wurde in 2200 Metern Tiefe gesichtet und man vermutet, dass er sich dort von Kleinstlebewesen am Grund ernährt. Allerdings macht er auch Jagd auf Robben und sogar Eisbärknochen wurden bei Magenuntersuchungen schon entdeckt. Da ist der Gigant unter den Ostseehaien noch eine Spur harmloser: Der Walhai ist ein Filtrier, wie man es von vielen Walen kennt, filtert er Plantkon und kleinere Fische aus dem Wasser. Gelegentlich gesichtet werden vorallem kleinere Haiarten, etwa wenn sie Fischern als Beifang ins Netz gehen. Aber auch das kommt oftmals einer Sensation gleich. In einer kleinen Anfrage der Grünen wurde 2008 explizit nach gefährlichen Haiarten und vergangenen Angriffen gefragt. Die Bundesregierung entgegnete darauf, dass Gefährdungen durch Haie in der Ostsee „extrem unwahrscheinlich“ und „aus der Vergangenheit nicht bekannt“ seien. Dies läge auch daran, dass die meisten Haifische eine deutlich höheren Salzgehalt benötigen, als er im Ostseewasser vorzufinden ist. Wenn überhaupt seien die Tiere also nur wenige Tage oder Wochen in der Ostsee anzutreffen und dies dann zumeist in den Übergangsgebieten des Skagerrak und Kattegat.

Haie in der Ostsee sind also gemeinhin nicht gefährlich – selbst wenn man ihnen begegnet.

Weltweit kommt es ohnehin nur zu sehr wenigen Haiangriffen, in der Nord- und vor allem Ostsee zu beinahe keinen. Die Internetseite Trackingsharks.com führt eine jährliche Kartenvisualisierung über weltweit gemeldete Haibisse:

Haie auf den Ostseeinseln

Nicht nur in der Ostsee, sondern auch auf den Ostseeinseln kann man Haie antreffen. Das Meereszentrum Fehmarn ist eines der größten Aquarien Europas, in den Haiwelten kann man vor allem exotische Haiarten erkunden und aus nächster Nähe betrachten – mit allen ökologischen Auswirkungen. Näher wird man Haien in Deutschland ansonsten kaum kommen, und in der Ostsee schon gar nicht.

Die Haiwelten im Meereszentrum Fehmarn, ab ca. Minute 5

Weiterführende Links und Quellen:

www.fishbase.org

www.elasmo.de

Shark Alliance (2008): Sharks in the Baltic. Distribution, use and conservation of cartilaginous fishes the Baltic Sea.
Ganzer Bericht als PDF

Charles E. Herdendorf, Tim M. Berra: A Greenland Shark from the Wreck of the SS Central America at 2,200 Meters. In: Transactions of the American Fisheries Society. Band 124, Nr. 6, 1995, tandfonline.com

Deutscher Bundestag: Drucksache 16/9972. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Cornelia Behm, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. 16. Wahlperiode 14.07.2008.

Deutscher Bundestag: Drucksache 16/9863. Kleine Anfrage der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Cornelia Behm, Nicole Maisch, Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. 16. Wahlperiode. 26.06.2008 .

Lennart Thamm Verfasst von: